Vom Keller auf die Speisekarte
Raubkopien im Internet: Schützt uns das Urheberrecht?
Urheberrechtsverletzungen: Die Mindestlänge für urheberrechtlich geschützte Texte beträgt drei Sätze! Ein Verlag erwirbt vom Autor die Rechte, sein Werk zu vervielfältigen und zu vertreiben. Dies wird nach den §§ 15 ff des Urheberrechts geregelt. Das Urheberrecht sieht vor, das urheberrechtlich geschützte Texte ohne Einwilligung des Autors weder auf einer Webseite angeboten, noch von dort heruntergeladen und angeboten werden dürfen. Denn das verstößt zum Einen gegen § 16 des Urheberrechtes, der das Vervielfältigungsrecht regelt, zum Anderen gegen § 19 a, der das Recht auf die öffentliche Zugänglichmachung beinhaltet.
Technische Voraussetzungen: Die technischen Voraussetzungen zum Verstoß gegen das Urheberrecht sind inzwischen in so gut wie jedem Haushalt vorhanden. Nennen wir ihn mal den „Piraten“, der abends in seinem Kellerloch das Original mithilfe eines Scanners, eines Computers und ein wenig technischem Knowhow kopiert und als PDF-Datei abspeichert. Jetzt benötigt unser Pirat nur noch eine Webseite, auf der er das Werk als Raubkopie anbietet. Drei solcher Webseiten sind etwa flatris.migpibooks.eu, berat.quigentlarbooks.eu und elen.ciapenmobooks.eu.
Bei diesen Seiten handelt es sich um sogenannte Linksammlungen, die selber die Inhalte nicht „hosten“ (englisch: host = Wirt). Sie sind somit mit der Speisekarte einer Gastwirtschaft oder dem Prospekt einer Buchhandlung zu vergleichen, in dem die Speisen oder der Titel nur vorgestellt werden. Wer nun ein solches Buch käuflich erwerben will, wird auf einen „Download Provider“ (englisch: provider = Lieferant) verwiesen, der als Buchhandlung dient und das Werk tatsächlich vorrätig hat, und von dem es auf den Computer des Kunden heruntergeladen werden kann. Wo genau diese Webseiten gehostet werden, lässt sich an den Kürzeln am Ende des Links erkennen. Eu steht in diesem Fall für „Europa“, will heißen, irgendwo in einem der 47 Länder unseres Kontinents.
Die Löschung der Links: Allen Linksammlungen ist gemeinsam, dass sie kein Impressum besitzen, so dass weder der Autor noch der Leser nachvollziehen können, mit wem sie es tatsächlich zu tun haben. Linksammlungen sind anonym und befinden sich irgendwo im Ausland. Von Erfolg gekrönt könnte das Vorgehen gegen die „Download Provider“ sein, auf die per Link verwiesen wird. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen dieser Provider findet sich ggfs. der Hinweis auf eine E-Mail-Adresse, bei der Urheberrechtsverstöße angezeigt werden können. Ob eine Mail an die angegebene Adresse mit der Aufforderung der Löschung des Links (sogenanntes Notice-and-take-down Verfahren) erfolgreich sein wird, bliebe abzuwarten.
Strafrechtliche Ermittlungen: Wenn dies nicht gelingt, sollte eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft von einem Rechtsanwalt für Urheberrecht eingeleitet werden. Diese Vorgehensweise erweist sich in der Praxis als äußerst schwierig, da die meisten Anbieter anonym und bewusst verdeckt handeln, so dass ein zivilrechtliches Verfahren mangels Ansprechpartner nicht in Betracht kommt. Aus diesem Grund hat der Börsenverein eine Interessenvertretung seriöser Verlage und damit auch der Autoren, die Kooperation mit der GVU (Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen) gegründet, die ein Einsatzteam unterstützt, das aus Kriminalbeamten, verdeckten Ermittlern, auf Urheberrecht spezialisierten Juristen und IT-Spezialisten besteht. Dieses Team beobachtet die Szene, fahndet nach illegalen Angeboten und analysiert diese nach Art und Umfang sowie dem Zeitpunkt, zu dem die illegalen Kopien auf Plattformen wie migpibooks etc. erscheinen. Das Team beobachtet hierzu Webseiten, E-Commerce-Plattformen, Netzwerke und führt verdeckte Ermittlungen durch, indem es selbst als Kunde oder als Anbieter von Raubkopien auftritt. Dafür muss viel Geld in die Hand genommen werden, um die Hintermänner aufzudecken, die größtenteils im Ausland sitzen.
Wie können wir uns als Autoren schützen? Die Frage „Schützt uns das Urheberrecht?“ muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit „Nein“ beantwortet werden, zumindest was die Weiten des World Wide Web betrifft. Betroffenen Autoren wird auf lange Sicht nichts anderes übrig bleiben, als das Ermittler-Team zu unterstützen, indem sie Urheberrechtsverletzungen durch Linksammlungen bei der GVU anzeigen.
Weiterhin ist die Politik gefordert. Das Ermittler-Team muss mit Geld und Fachwissen ausgestattet werden. Die Regierungen der Staaten, in denen die Betreiber der Linksammlungen sitzen, müssen mit den Staaten zusammenarbeiten, in denen die Autoren leben und arbeiten, um den illegalen Sumpf der Raubkopien auszutrocknen. | Jost Baum
Baum ist behördlicher Datenschutzbeauftragter in Düsseldorf, Journalist und Autor. Sein Kriminalroman „Des Todes langer Schatten“ ist 2014 im Oktober Verlag erschienen. |