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Stadtvater als Kulturschänder

Rostock: Bismarckhering-Brötchen statt Volkstheater

Rund 40 Betriebsräte und ver.di-Tarifkommissionsmitglieder haben im Norden am 19. Juni in einer Resolution eine stärkere finanzielle und politische Unterstützung für Theater, Orchester und Ensembles in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern verlangt.

Eine zentrale Forderung sei es, „dass Tarifsteigerungen endlich wieder voll ausgeglichen werden“. Gutes Theater brauche ausreichend Personal, faire Arbeitsbedingungen und Tarifrechte. Was aber, wenn sich Theater bereits im Abbruch befinden wie in Schleswig oder in Schwerin? Sewan Latchinian, der Intendant des Rostocker Volkstheaters, hat diese Weiterung durch politische „Fusionitis“, Spartenschließungspläne und radikal ausgedünnte Ensembles in seinem Bundesland mehrfach beschrieben und auf die IS-Kulturerbevernichter anderswo verwiesen. Der Mann, der schon einmal ein Ensemble zum „Theater des Jahres“ geführt hat, wurde dafür vom Oberbürgermeister seiner Stadt, Roland Methling, gefeuert, weil der vorgab, einen unzulässigen Vergleich des Widerständigen erkannt zu haben. Doch Latchinian wurde von der Bürgerschaft zurückgeholt. Der einmalige Fall in dieser Republik, noch ungeheuerlicher als der von André Bücker in Dessau (siehe K+K 3/2014), hat Latchinian keinesfalls diplomatischer gemacht. Er sehe das so, dass in Rostock die kulturelle Vielfalt und gesamtdeutsche Theaterlandschaft verteidigt werde.
Dem Bild von der Blaupause ist zuzustimmen. Aber die Situation ist, wenn nicht verworren, dann doch äußerst kompliziert. Die Bürgerschaft ist abgekämpft und des Dauerkonflikts überdrüssig. Nach Beobachtung des Betriebsrats Ingo Templin ist sie in „Zugucker und Entscheider“ gespalten. Die Entscheider haben allerdings ihr Mitspracherecht in der Bürgerschaft aufgegeben. Methling ist jetzt der große Entscheider, hinter ihm Kulturminister Brodkorb, der das derzeitige Theater in Rostock zerschlagen will und der der Stadt Zuschüsse von bis zu 25 Millionen für einen Theaterneubau versprochen hat. Wenn, ja nur dann, das Musiktheater und die Tanz-Sparte geschlossen würden, so die Zielvereinbarung. Übrig blieben sieben Schauspieler und ein Orchester. Stellenabbau, auch betriebsbedingte Kündigungen von derzeit 92 Kolleginnen und Kollegen. Das Sparziel von 4,6 Millionen Euro würde so auch nicht erreicht, da Einnahmen wie Inszenierungen zusammenbrächen. Kein Witz! Templin spricht auch so grundsätzlich von einer „schlechten Stimmung“ im Ensemble: der jetzt schon unterbesetzte Betrieb sei „dann nicht mehr arbeitsfähig“. Und: „Unsere gesamte Kreativität ist gefordert.“ Sybille Bachmann, Vorsitzende vom Rostocker Bund, meint, der Widerstandsgeist der Rostocker würde „wieder aufwachen, wenn derart viele Theater-Leute gehen müssen“.
Die vom Bund und die Linken sind derzeit die großen Kämpfer. Eva-Maria Kröger von den Linken sieht zwei dünne Hoffnungsfäden: Die Rostocker werden im gekappten Spartenkonzept den Irrsinn erkennen. Und sie verweist auf die bundesweite Empörung, als Sewan Latchinian gefeuert wurde: Daraus nährt sich ihre Hoffnung, dass sich die Bundesregierung am Neubau beteiligt und dadurch die vier Sparten erhalten bleiben. Der Intendant im Rostocker Patriotischen Weg sagt uns: „In der Diskussion um die Zukunft der vier Sparten des Volkstheaters Rostock sind momentan zwei unterschiedliche Entwicklungen möglich: ein Worst-Case-Szenario oder ein Best-Case-Szenario. Ich habe meine Arbeit als Intendant vor allem deshalb wieder aufgenommen, um alles in meiner Macht und meinen Kräften Stehende zu tun, dass das Best-Case-Szenario realisiert wird. Ich werde mich also weiter für den Erhalt aller vier Sparten einsetzen und dafür werben.“ Tatsächlich: Die gesamte Kreativität ist gefordert. | bal


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Vom Keller auf die Speisekarte

Raubkopien im Internet: Schützt uns das Urheberrecht?

Urheberrechtsverletzungen: Die Mindestlänge für urheberrechtlich geschützte Texte beträgt drei Sätze! Ein Verlag erwirbt vom Autor die Rechte, sein Werk zu vervielfältigen und zu vertreiben. Dies wird nach den §§ 15 ff des Urheberrechts geregelt. Das Urheberrecht sieht vor, das urheberrechtlich geschützte Texte ohne Einwilligung des Autors weder auf einer Webseite angeboten, noch von dort heruntergeladen und angeboten werden dürfen. Denn das verstößt zum Einen gegen § 16 des Urheberrechtes, der das Vervielfältigungsrecht regelt, zum Anderen gegen § 19 a, der das Recht auf die öffentliche Zugänglichmachung beinhaltet.

Technische Voraussetzungen: Die technischen Voraussetzungen zum Verstoß gegen das Urheberrecht sind inzwischen in so gut wie jedem Haushalt vorhanden. Nennen wir ihn mal den „Piraten“, der abends in seinem Kellerloch das Original mithilfe eines Scanners, eines Computers und ein wenig technischem Knowhow kopiert und als PDF-Datei abspeichert. Jetzt benötigt unser Pirat nur noch eine Webseite, auf der er das Werk als Raubkopie anbietet. Drei solcher Webseiten sind etwa flatris.migpibooks.eu, berat.quigentlarbooks.eu und elen.ciapenmobooks.eu.
Bei diesen Seiten handelt es sich um sogenannte Linksammlungen, die selber die Inhalte nicht „hosten“ (englisch: host = Wirt). Sie sind somit mit der Speisekarte einer Gastwirtschaft oder dem Prospekt einer Buchhandlung zu vergleichen, in dem die Speisen oder der Titel nur vorgestellt werden. Wer nun ein solches Buch käuflich erwerben will, wird auf einen „Download Provider“ (englisch: provider = Lieferant) verwiesen, der als Buchhandlung dient und das Werk tatsächlich vorrätig hat, und von dem es auf den Computer des Kunden heruntergeladen werden kann. Wo genau diese Webseiten gehostet werden, lässt sich an den Kürzeln am Ende des Links erkennen. Eu steht in diesem Fall für „Europa“, will heißen, irgendwo in einem der 47 Länder unseres Kontinents.

Die Löschung der Links: Allen Linksammlungen ist gemeinsam, dass sie kein Impressum besitzen, so dass weder der Autor noch der Leser nachvollziehen können, mit wem sie es tatsächlich zu tun haben. Linksammlungen sind anonym und befinden sich irgendwo im Ausland. Von Erfolg gekrönt könnte das Vorgehen gegen die „Download Provider“ sein, auf die per Link verwiesen wird. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen dieser Provider findet sich ggfs. der Hinweis auf eine E-Mail-Adresse, bei der Urheberrechtsverstöße angezeigt werden können. Ob eine Mail an die angegebene Adresse mit der Aufforderung der Löschung des Links (sogenanntes Notice-and-take-down Verfahren) erfolgreich sein wird, bliebe abzuwarten.

Strafrechtliche Ermittlungen: Wenn dies nicht gelingt, sollte eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft von einem Rechtsanwalt für Urheberrecht eingeleitet werden. Diese Vorgehensweise erweist sich in der Praxis als äußerst schwierig, da die meisten Anbieter anonym und bewusst verdeckt handeln, so dass ein zivilrechtliches Verfahren mangels Ansprechpartner nicht in Betracht kommt. Aus diesem Grund hat der Börsenverein eine Interessenvertretung seriöser Verlage und damit auch der Autoren, die Kooperation mit der GVU (Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen) gegründet, die ein Einsatzteam unterstützt, das aus Kriminalbeamten, verdeckten Ermittlern, auf Urheberrecht spezialisierten Juristen und IT-Spezialisten besteht. Dieses Team beobachtet die Szene, fahndet nach illegalen Angeboten und analysiert diese nach Art und Umfang sowie dem Zeitpunkt, zu dem die illegalen Kopien auf Plattformen wie migpibooks etc. erscheinen. Das Team beobachtet hierzu Webseiten, E-Commerce-Plattformen, Netzwerke und führt verdeckte Ermittlungen durch, indem es selbst als Kunde oder als Anbieter von Raubkopien auftritt. Dafür muss viel Geld in die Hand genommen werden, um die Hintermänner aufzudecken, die größtenteils im Ausland sitzen.

Wie können wir uns als Autoren schützen? Die Frage „Schützt uns das Urheberrecht?“ muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit „Nein“ beantwortet werden, zumindest was die Weiten des World Wide Web betrifft. Betroffenen Autoren wird auf lange Sicht nichts anderes übrig bleiben, als das Ermittler-Team zu unterstützen, indem sie Urheberrechtsverletzungen durch Linksammlungen bei der GVU anzeigen.
Weiterhin ist die Politik gefordert. Das Ermittler-Team muss mit Geld und Fachwissen ausgestattet werden. Die Regierungen der Staaten, in denen die Betreiber der Linksammlungen sitzen, müssen mit den Staaten zusammenarbeiten, in denen die Autoren leben und arbeiten, um den illegalen Sumpf der Raubkopien auszutrocknen. | Jost Baum

Baum ist behördlicher Datenschutzbeauftragter in Düsseldorf, Journalist und Autor. Sein Kriminalroman „Des Todes langer Schatten“ ist 2014 im Oktober Verlag erschienen.

 
 

 



 


 

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